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Bremerhaven: Das Auswandererhaus

Bremen & Bremerhaven
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Vor einigen Jahren war meine Mutter mit ihrer Seniorengruppe in Bremerhaven im Auswanderermuseum und bis heute erzählt sie immer wieder davon. Noch Jahre später hat sie Tränen in den Augen und ist emotional sehr bewegt, wenn sie davon erzählt.
Als ich beruflich in Wilhelmshaven war, war es also logisch, dass ich sofort noch 2 Tage in Bremerhaven anhängte um endlich die Erfahrung meiner Mutter zu teilen.

An der Kasse bekommt man für den Rundgang durch das Museum ein Ticket mit RFID Chip ausgehändigt. An verschiedenen Stationen im Museum, kann man über Kopfhörer Geschichten hören. Dazu hält man seinen RFID Chip davor und kann nun EINE Person auf ihrer Auswanderung über Bremerhaven begleiten. Es wird eine sehr enge emotionale Bindung zu einem Menschen und seiner Familie und deren Schicksal aufgebaut.

Meine Familie

Noch bevor der Museumsbesuch beginnt, denke ich an meine Familie und sehe plötzlich all die Flüchtlingsgeschichten, die mir meistens gar nie so bewußt sind. Mein Großvater ist als jüngster Sohn einer Bauernfamilie aus den damaligen Gebieten des Deutschen Reiches, die heute in Polen liegen, in den Ruhrpott ausgewandert um im Bergbau zu arbeiten. Geerbt hat nur der älteste Sohn und die anderen mussten schauen, wo sie blieben. So kam er mit ca. 16 Jahren nach Bergkamen, wo er später auch starb und wo mein Vater geboren wurde und wo sie gemeinsam einen Weltkrieg durchstanden.

Mütterlicherseits heiße ich ja Gilbert und komme aus der Pfalz. Und jetzt sprecht den Namen mal französisch aus und schon sind wir beim Thema: Flüchtlinge. Um 1685 flohen meine Vorfahren, französische Protestanten, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt wurden. Über eine Viertelmillion flohen damals in Europa in die protestantisch dominierten Gebiete und waren dort äußerst willkommen, da sie den Ruf hatten sehr diszipliniert und leistungsstark zu sein. Das führte zu Unmut mit der alt-ansässigen Bevölkerung, die sich zurückgesetzt fühlte vor allem, wenn es um Arbeitsvergabe und auch Kredite ging.

 

Auswandern – Einwandern

Die Auswanderung beginnt am Kai

Das Auswandererhaus steht genau dort, wo die Menschen ab 1830 über Bremerhaven auswanderten. Ein historischer Ort an dem unendliches Leid sich abgespielt haben wird. Trennungen und Angst als vorherrschende Gefühle. Oder doch die Hoffnung auf ein besseres Leben?

Der erste Teil des Museum ist der Teil in dem man jemanden bei einer Auswanderung begleitet durch all die Stationen: der Hafen in Bremerhaven, das Schiff, die Ankunft in Ellis Island (New York), die Ankunft an der Central Station, wenn man denn die Immigration geschafft hat.

Der zweite Teil des Museums ist dann die Geschichte einer Einwanderung. Auch sehr spannend, aber ich möchte mich der Auswanderung in meinem Bericht widmen.

7 Millionen Menschen sind zwischen 1830 und 1974 von Bremerhaven aus in „die Neue Welt“ aufgebrochen. Damit war Bremerhaven der größte Auswandererhafen auf dem europäischen Festland. Das ist nur schwer vorstellbar, wenn man bedenkt, dass die Stadt überhaupt erst 1827 gegründet wurde mit genau 19 Einwohner (!) und auch 1871 waren es erst 10.000 Einwohner, die den Massen an Auswanderern gegenüber standen.

 

Die Reise beginnt

Koffer – was haben die Menschen wohl eingepackt für das neue Leben?

Beeindruckt stehe ich bald vor einem großen, aber auch nicht riesigen Schiff. Überall am Kai stehen Massen an Koffern um mich herum und Fäßer und Kisten mit Lebensmitteln, die noch geladen werden müssen.

Hier stehen Menschen und reden in vielen unterschiedlichen Sprachen. Ganz viel Trauer und Angst während andere hoffnungsvolle Worte finden für das „danach“.

Mir schnürt es hier die Kehle zu, denn mir ist klar, wie viele in der neuen Welt kein besseres Leben finden werden und auch dort zu den Armen gehören werden und dann eben arm UND fremd.

Wie freundlich man zu Fremden ist, können wir leider auch akuell wieder in unseren Zeitungen überall lesen. Jahrhunderte vergehen und die Menschheit lernt nicht, sondern bleibt in ihrem Protektionismus und Ego verhaftet.

Über eine Gangway betrete ich nun das Schiff und bekomme Einblick in die Räumlichkeiten dort. Durch Bullaugen wird der ein oder andere Seegang simuliert. Ich bin eh schon so berührt, dass mir wirklich ein bißchen schlecht wird „auf dem Schiff“, welches ja an Land ist und nur eine Simulation.

Natürlich gibt es auf dem Schiff verschiedene Klassen. Nicht jeder schläft zu fünft auf 2,25m * 1,70m. Wenn man Glück hatte war man in 6 Wochen drüben und wenn man Pech hatte, dann dauerte die Überfahrt mit der Lloyd Company auch mal 3 Monate. Angenehm war es definitiv in keiner Klasse und auch der Speiseplan war kein Highlight des Tages auf See.

 

Ankunft in Amerika. Geschafft!?

Die Emotionen überschlagen sich an diesem Ort

Ellis Island, die Insel der Tränen, ist für mich ein Horrorszenario. Glücklich kommen die Menschen an, erschöpft und was sie nicht wissen ist, dass nun eiskalt ausgesiebt wird, wer bleiben darf und wer nicht. Es geht vom Schiff runter und eine Treppe hoch zu Befragungsräumen. Angestellte beobachten die Ankommenden und wer hinkt, langsam geht, schnieft, hustet etc. bekommt ein Kreidekreuz auf die Kleidung gemalt. Wer ein Kreuz auf der Kleidung hat wird sehr genau unter die Lupe genommen, aber auch andere beantworten eine der 27 Fragen vor der Aufnahme in der Aufregung falsch und dann müssen sie wieder zurück und dürfen niemals einreisen.

Just an dem Tag an dem ich im Auswandererhaus bin, geht auf Twitter das Foto der Akte von Donald Trumps Mutter rum, die ebenfalls über Ellis Island (über Southhampton) einreiste. D. Trump behauptete bisher, dass sie als Urlauberin gekommen war und sich verliebt hatte und dann blieb. Aber dies ist eine der vielen Lügen. Tatsächlich ist seine Mutter ein Flüchtling, wie so viele Menschen auf der Welt. Geflohen vor Hunger, Armut, wenig Hoffnung. Ihre Akte mit den Antworten bei der Einwanderungsbehörde liegt in New York vor. Sein Großvater ist übrigens über Bremerhaven ausgewandert. Einer der Vielen.

Ich sitze im Museum auf den schmalen Bänken hinter hohen Drahtzäunen. Noch bin ich Einwandererin. Werde ich es auf die andere Seite des Zaunes schaffen und ein neues und gutes Leben vorfinden?

 

New York Central Station

Central Station – wie durch einen Tränenschleier

Der Moment in dem die Tür aufgeht und ich in den originalgetreu nachgebauten Bahnhof von New York reinkomme, nimmt mir dann den Atem. Es ist ein unglaublich erleichternder Moment und dabei bin ich doch nur Besucherin eines Museums. Aber ich bin gefangen und wurde mitgenommen in dem Leid eines Auswanderers, den ich bis hierhin begleitet habe und der es geschafft hat.

Die Centrsl Station erstrahlt so hell und glamourös …. ich kann mir vorstellen, wie viele Flüchtlinge hier heulend auf dem Boden saßen, weil sie es geschafft hatten. Ich wäre zusammen gebrochen mit einem Heulkrampf.

 

Paul Lemke, der Deutsche Hofschneider auf Hawaii

Die Tickets mit RFID Chip

Paul Lemke wurde 1851 geboren, lernte Schneider und wanderte nach New York aus.

Zur Hochzeit seines Bruders kehrte er noch einmal nach Deutschland zurück. Dort traf er Agnes, die ihm auch die nächsten 10 Jahre nicht aus dem Kopf ging in der neuen Heimat. Und so reiste er ein zweites Mal zurück nach Deutschland um Agnes zu ehelichen. Gemeinsam gingen sie dann nach Hawaii und er wurde Königlicher Hofschneider. König Kaltikaua war ein Fan von Preußen und so schneiderte Paul Lemke an diesen Stil angelehnte Kleidung für den König und den Hofstaat.

Ihm und seiner Familie erging es wirtschaftlich sehr gut und noch heute leben Nachkommen auf Hawaii. Von ihnen gibt es im Museum auch ein Foto.

 

 


 

 

Kleingedrucktes:

  1. Ich war gemeinsam mit Tanja dort und ihren Bericht könnt ihr hier lesen
  2. Dörte von Bremerhaven Tourismus hat mir noch ein kostenfreies Ticket besorgt, als sie hörte, dass ich komme. Auch dafür Danke!
  3. Danke liebes Museum für die Recherche, die Aufarbeitung, die Reise …. am Ende irgendwie auch zu mir selbst

Kommentare

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  1. Björn

    Sehr schön geschrieben, so habe ich es auch erlebt und erfunden. Danke :-*

    PS: ich war mit meiner Bordkarte übrigens einer der Mitbegründer der MGM-Studios :-).

    6 Jahren her

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